Auf Reisen sein – Literarischer Wochenendgruß vom 06.07.18
Liebe Leserinnen und Leser des literarischen Wochenendgrußes,
auf Reisen sind derzeit viele in unserem Laube. Ob zu Lande, zu Wasser oder in der Luft – die Menschen in dieser Jahreszeit sind unterwegs und erholen und erkunden neue Landschaften oder vielleicht dabei auch sich selbst. Sie erkunden die Welt, wobei es nicht unbedingt die große weite Welt sein muss. Manchmal liegt das Gute doch so nah.
Daher widmet sich dieser Wochenendgruß dem Thema Reisen mit etwas ungewöhnlichen Texten und schönen Fotos.
Foto: Gerd Taron
Unterwegs immer wieder anhalten,
wahr nehmen, was ist,
uns freuen an dem,
was wir erreicht haben,
annehmen,
dass nicht alles gelungen ist.
Uns Zeit nehmen,
neue Kräfte schöpfen,
uns neu orientieren,
uns leiten lassen von dem,
was für uns wesentlich ist.
Weiterschreiten, wie es mir entspricht,
in der Hoffnung,
dass wir immer mehr werden,
was wir letztlich sein können.
(Max Feigenwinter)
Foto: Brina Stein
Von der Sehnsucht
„Ach“, seufzte die Sehnsucht.
„Was hat sie denn?“, fragte der Pragmatismus die Vernunft.
„Das ist ganz normal, so ist sie halt“, sagte die Vernunft.
Dem Pragmatismus aber tat die Sehnsucht leid.
Also ging er zu ihr und fragte: „Hallo Sehnsucht,
was ist den los?“
„Ach, nichts weiter. Ich würde nur so gerne in die Ferne reisen.“
„Na, das ist doch nicht schwer!“, rief der Pragmatismus.
„Da musst du doch nur eine Reise buchen. Wohin soll es denn gehen?“
„Ach, ich möchte so viele Orte sehen.“
„Dann buchst du eben gleich eine Weltreise.“
„Ach, aber alles kann ich ohnehin nicht sehen.“
„Aber wenigsten etwas.“
„Ach, ich würde immer zu wenig sehen. Es gäbe immer Plätze, zu denen ich auch noch reisen würde.“
„Und so sitzt du lieber hier und seufzt?“
„Ach“, sagte die Sehnsucht.
Da fiel dem Pragmatismus nichts weiter ein.
Tania Konnerth – Geschichten die ein Lächeln schenken
Foto: Gerd Taron
Beim Anblick der Menschen auf Reisen,
meine Gedanken fortgetragen von den Gleisen.
Zugegeben, überaus fantastische Imaginationen,
doch mein Selbst kehrt zurück aus seinen Exkursionen.
So prüfe ich erneut mein Herz
und komme zu folgendem Schluss,
dabei denkend an meine Liebste,
weshalb ich dies jetzt sagen muss:
Das Schönste ist am Reisen,
das Gefühl, angekommen zu sein
und dort zu verweilen
Autor unbekannt
Der Zug des Lebens
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Das Leben ist wie eine Reise im Zug.
Vor einiger Zeit las ich ein Buch,
worin das Leben mit einer Zugreise verglichen wurde.
Eine sehr interessante Lektüre.
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Das Leben ist wie eine Reise im Zug:
Man steigt oft ein und aus, es gibt Unfälle,
bei manchen Aufenthalten angenehme Überraschungen
und tiefe Traurigkeit bei anderen.
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Wenn wir geboren werden und in den Zug einsteigen,
treffen wir Menschen, von denen wir glauben,
dass sie uns während unserer ganzen Reise
begleiten werden: unsere Eltern.
Leider ist die Wahrheit eine andere.
Sie steigen bei einer Station aus
und lassen uns ohne ihre Liebe und Zuneigung,
ohne ihre Freundschaft und Gesellschaft zurück.
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Allerdings steigen andere Personen,
die für uns sehr wichtig werden, in den Zug ein.
Es sind unsere Geschwister, unsere Freunde
und diese wunderbaren Menschen, die wir lieben.
Manche dieser Personen die einsteigen,
betrachten die Reise als kleinen Spaziergang.
Andere finden nur Traurigkeit auf ihrer Reise.
Und es gibt wieder andere im Zug,
die immer da und bereit sind, denen zu helfen,
die es brauchen.
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Manche hinterlassen beim Aussteigen
eine immer währende Sehnsucht.
Manche steigen ein, und wieder aus,
und wir haben sie kaum bemerkt.
Es erstaunt uns, dass manche der Passagiere,
die wir am liebsten haben,
sich in einen anderen Waggon setzen
und uns die Reise in diesem Abschnitt alleine machen lassen.
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Selbstverständlich lassen wir uns nicht davon abhalten,
die Mühe auf uns zu nehmen, sie zu suchen
und uns zu ihrem Wagon durchzukämpfen.
Leider können wir uns manchmal nicht zu ihnen setzen,
da der Platz an ihrer Seite schon besetzt ist.
Versuchen wir mit unseren Mitreisenden gut auszukommen,
und suchen wir das Beste in jedem von ihnen.
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Erinnern wir uns daran,
dass in jedem Abschnitt der Strecke
einer der Gefährten schwanken kann
und möglicherweise unser Verständnis braucht.
Auch wir werden öfter schwanken
und es wird jemanden geben,
der uns versteht.
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Das große Mysterium der Reise ist,
dass wir nicht wissen,
wann wir endgültig aussteigen werden und genau so wenig,
wann unsere Mitreisenden aussteigen werden,
nicht einmal der, der gleich neben uns sitzt.
Ich glaube, ich werde wehmütig sein,
wenn ich aus dem Zug für immer aussteige.
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Die Trennung von einigen Freunden,
die ich während der Reise traf,
wird schmerzhaft sein.
Meine Liebsten allein zu lassen,
wird sehr traurig sein.
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Aber ich habe die Hoffnung,
dass irgendwann der Zentralbahnhof kommt,
und ich habe das Gefühl, sie ankommen zu sehen,
mit Gepäck, das sie beim Einsteigen noch nicht hatten.
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Was mich glücklich machen wird, ist der Gedanke,
dass ich mitgeholfen habe
ihr Gepäck zu vermehren und wertvoller zu machen.
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Schauen wir darauf, dass wir eine gute Reise haben
und das sich am Ende die Mühe gelohnt hat.
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Versuchen wir, dass wir beim Aussteigen
einen leeren Sitz zurücklassen,
der Sehnsucht und schöne Erinnerungen
bei den Weiterreisenden hinterlässt.
Ich wünsche allen eine Gute Reise.
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Verfasser unbekannt
Foto: Brina Stein
“ Wir leben alle in dieser Welt an Bord eines Schiffes, das von einem Hafen unterwegs ist, den wir nicht kennen, zu einem Hafen, von dem wir nichts wissen. Und wir müssen füreinander die Liebenswürdigkeit von Menschen aufbringen, die sich auf einer gemeinsamen Reise befinden.“ – was für ein schöner Satz des portugiesischen Schriftstellers Fernando Pessoa. Unser Leben als Schiffsreise. Der Hafen, von dem wir ablegen – unbekannt. Der Hafen, in den wir mal einlaufen werden – auch unbekannt. Wir wissen nichts. Wir können nur hoffen, dass da ein Hafen sein wird und dass wir dort zur Ruhe kommen und geborgen sind, endgültig geborgen. Bis dahin sind wir aber auf einem Schiff. Auf einem Schiff, das an wunderschönen Ländern vorbei kommt. Von dem aus wir schreckliche Landschaften sehen. Wir erleben sonnige Tage an Deck aber auch Stürme die uns beuteln. Vielleicht auch Motorschäden, die das Schiff zum Stillstand bringen. Aber immer sind wir umgeben von Menschen an Bord. Vielen Menschen, die in unserer Kabine, die im Oberdeck und noch viel mehr im Unterdeck. Die meisten sehen wir nur von Ferne oder gar nicht. Ein paar wenige sind uns nahe, aber alle sind sie doch an Bord – unsere Reisegenossen. Verbunden mit uns durch den gemeinsamen Hafen am Anfang und am Ende der Reise. Gemeinsam auf dem großen Schiff, das wir Leben nennen. Könnte diese Verbundenheit nicht tatsächlich bewirken, dass wir Reisende liebenswürdig miteinander umgehen? Und die begrenzte Zeit, die wir miteinander auf dem Schiff haben, so schön wie möglich miteinander verbringen? ”
~ Dr. Peter Kottlorz
Ich wünsche allen eine schöne Ferienzeit.
Ihr/Euer
Gerd Taron
Hinweis in eigener Sache:
Am Sonntag, 08.07.18 ab 14 Uhr findet zum Thema Reisen ein literarischer Spaziergang rund um den Frankfurter Hauptbahnhof statt. Treffpunkt ist der Nebenausgang Gleis 1 Mannheimer Straße.
Weitere Informationen finden Sie unter:
Gute Reise! – Ein literarischer Spaziergang rund um den Frankfurter Hauptbahnhof am Sonntag, 08.07.18 ab 14 Uhr