Vom Dienst leisten – Literarischer Wochenendgruß vom 19.10.18

Vom Dienst leisten – Literarischer Wochenendgruß vom 19.10.18

Liebe Leserinnen und Leser des literarischen Wochenendgrußes,

immer wieder lese ich vor allem in den sozialen Medien, wie zum Beispiel facebook, dass Mann/Frau sich über mangelnde Dienstleistungen beschwert. Da werden Pakete nicht oder falsch zugestellt, die Zeitung kommt zu spät, die Bedienung ist angeblich unfreundlich usw. Im öffentlichen Nahverkehr fallen Züge oder Busse wegen Personalmangel aus. In den Krankenhäusern und Seniorenheimen herrscht Pflegenotstand.

Bei allem Verständnis für die Verärgerung: Wer denkt eigentlich an die Menschen, die all diese Dienstleistungen ausüben? Oft werden Paketzusteller, die meistens jung und unerfahren sind, nicht oder nur mangelhaft in ihre Tätigkeiten eingewiesen. Die Bezahlung ist schlecht und die Arbeitsbedingungen meist unzumutbar.

Wenn es um Leben von Menschen geht, ist dies noch viel schlimmer. Dort können die miserablen Arbeitsbedingungen fatale Folgen haben.

Angeblich liegt es am System, wie ich vor kurzem las. Aber das System sind wir! Wir alle können dazu beitragen, dass sich die Bedingungen für die einzelnen, wenn auch nur wenig, verbessern lassen. Die Bedienungsmentalität und Bequemlichkeit ist in unserer Gesellschaft aus meiner Sicht sehr hoch geworden.

Dieser Wochenendgruß soll mit den Texten und Fotos etwas dazu beitragen, ein besseres Verständnis für die Menschen, die in den Dienstleistungsberufen beschäftigt sind, zu gewinnen.

Foto: Gerd Taron

Die vorteilhafteste menschliche Ordnung wäre die,
bei welcher jeder an das Glück der anderen dächte und sich uneingeschränkt dem Dienst für dieses Glück weihte.
Bei einer solchen Einstellung aller erhielte jeder den größten Anteil von Glück.

(Leo N. Tolstoi)

Foto: Gerd Taron

Und wenn ihr nicht mit Liebe, sondern nur mit Unlust arbeiten könnt, dann ist es besser, eure Arbeit zu verlassen, und euch ans Tor
des Tempels zu setzen, um Almosen zu erbitten von denen,
die mit Freude arbeiten.

Khalil Gibran

Foto: Gerd Taron

Lange hast du dir Mühe gegeben
immer da zu sein, ansprechbar, verantwortlich,
zuständig zu sein für das, was anlag,
auch für die Belange anderer,
die eigentlich ihre Verantwortung waren.
Man konnte auf dich zählen,
man wusste, dass du da sein würdest.
Manchmal warst du ausgelaugt,
hattest keine Kräfte mehr,
du hättest die Arbeit an liebsten anderen überlassen,
aber du bliebst,
es gehörte zu deinem Selbstverständnis.
Du wolltest dem stillen Druck ausweichen,
der ungeschrieben dein Leben bestimmte,
aber du hast es nicht geschafft.
Du hast dich selbst
mit deinen Erwartungen festgehalten.
Aber du hast das Recht dich zurückzuziehen.
Du bist nicht weniger wert,
wenn du die Verantwortung nicht übernimmst
und andere machen lässt. Sie sind dran.
Es ist Zeit, an dich zu denken,
die stillen Seiten in dir zu entwickeln,
deine Tiefe auszuloten,
dein Herz besser kennenzulernen.
Du hast ein Recht auf deine Stille,
auf die Entwicklung deiner Einmaligkeit,
auf den Weg, den nur du zu gehen hast.
Das Stille und oft Große in dir
hatte fast nie eine Chance sich zu zeigen,
sich zu entwickeln, ein eigenes Leben zu entfalten.
Es wurde verdrängt vom täglichen Kleinkram
und von Menschen mit einer kleinen, vorsichtigen Sicht
Jetzt ist es dran. Lass es nicht im Stich,
lass dich nicht im Stich. Ein neuer Abschnitt beginnt.
Lass dein schlechtes Gewissen los.
Höre nicht mehr auf die, die es dir mit ihren Sprüchen
schwer machen wollen, einen neuen Weg zu wagen.
Sag ihnen entschieden, dass jetzt sie gefordert sind
und dass du dich auf einem anderen Weg befindest.
Und denke nicht, dass du egoistisch bist –
wenn du an dich denkst, tust du deinen Freunden
einen großen Dienst.
Sie brauchen deine Herausforderung,
deine Abwesenheit, das Erlebnis mit dir,
dass du nicht zu Verfügung stehst.
Dein neues Leben bricht an,
du hast ein großes Recht darauf.
Gib es nicht ab.

Ulrich Schaffer

Foto: Gerd Taron

Eine alte Dame setzt sich in ein Café. Die Kellnerin bringt ihr die Menü-Karte und fragt nach, was sie denn bestellen möchte.
Die alte Dame fragt: „Wie teuer ist bei ihnen ein Stück von der Torte?“
Die Kellnerin antwortet: „5 Euro.“
Die gebrechliche alte Dame holt einige Münzen aus ihrer Tasche und beginnt langsam zu zählen.
Dann fragt sie wieder: „Und wie teuer ist bei ihnen ein einfaches Stück Kuchen?“
Die Kellnerin war etwas gestresst, da sie ja noch viele Tische bedienen musste und antwortete sehr ungeduldig: „4 Euro.“
„Das ist gut, dann nehme ich gerne den einfachen Kuchen“, antwortete die alte Dame.

Die Kellnerin brachte ihr genervt den Kuchen und legte gleich die Rechnung hin. „Immer diese geizigen Leute“, murmelte sie leise vor sich hin.
Die alte Dame aß ganz langsam und genussvoll den Kuchen, stand langsam auf, legte das Geld auf den Tisch und ging.

Als die Kellnerin nun den Tisch aufräumen wollte, stellte sie fest, dass die alte zerbrechliche Dame ihr einen Euro Trinkgeld hingelegt hat.

Sie bekam vor Rührung Tränen in die Augen. Aber es war zu spät, um sich bei der alten Dame zu entschuldigen. Sie begriff schmerzhaft und sich schrecklich fühlend, dass die alte Dame sich mit einem einfachen Stück Kuchen begnügte, um der Kellnerin Trinkgeld zu schenken!

Autor unbekannt

Foto: Brina Stein

Wenn Du weißt, wer Du bist und so lebst, dann ist das für Deine Mitmenschen eine verlässliche Basis. Auf dieser Basis ist gemeinsames Leben und Arbeiten möglich.

Monika Bylitza

Foto: Sabine Barde

Möge dir die Arbeit
nicht schwer von der Hand gehen,
trotz Schwielen und Schrunden.
Dein Lohn auf Erden mag fragwürdig sein,
der Lohn der Ewigkeit ist unumstritten.
Irischer Segenswunsch
Wenn Sie an diesem Wochenende unterwegs sind und ihre Freizeit genießen, denken Sie vielleicht etwas mehr an die Menschen, die für Sie Ihren Dienst versehen.

Ihr/Euer

Gerd Taron

PS: Veranstaltungshinweis in eigener Sache:

Sonntag, 21.10.18 um 15 Uhr

Zwischen den Zeiten – Literarischer Spaziergang im Woogtal in Königstein im Taunus

Zum Abschluss der literarischen Freiluftsaison präsentiere ich Literarisches über die Zeit und den Übergang zwischen Herbst und Winter.
Treffpunkt: Kur- und Stadtinformation Königstein, Hauptstr. 13a

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