Liebe Literaturfreunde,
zum Osterfest erscheint wieder eine etwas besondere Ausgabe des literarischen Wochenendgrußes.
Ostern – ein Fest der Freude, das vor allem die Christen festlich begehen. Das Fest der Auferstehung, des Lebens. Vom Tod zum Leben – das ist die frohe Botschaft, die uns zum Osterfest übermittelt wird.
Diese Lebensfreude soll Ihnen auch dieser Ostergruß mit Texten und den schönen Fotos von Hans Joerg Kampfenkel vermitteln.
Foto: Hans Joerg Kampfenkel
Alles schlummerte. Die Luft, warm und duftgeschwängert, war regungslos;
ab und zu durchflog sie ein Zittern, wie das Zittern des Wassers, das vom Fall eines Zweiges berührt wird.
Man fühlte ein Sehnen, eine Art Durst in dieser warmen Luft.
Ich beugte mich über den Zaun: vor mir streckte ein wilder roter Mohn aus dichtem Gras seinen schlanken Stengel hervor:
Ein großer runder Tropfen nächtlichen Taus glänzte
in dunklem Schimmer auf dem Grund der geöffneten Krone.
Alles umher war wie in sich selbst versunken; alles schien hingestreckt, unbeweglich und erwartungsvoll den Blick nach oben gerichtet zu haben.
Worauf harrte diese blaue, träumende Nacht?…
Turgenjew, Iwan (1818-1883)
Der lebt nicht, dessen Haupt nicht im Himmel steht,
auf dessen Brust nicht die Wolken ruhen, dem die Liebe
nicht im Schoße wohnt, und dessen Fuß nicht in der Erde wurzelt.
Clemens Brentano
Foto: Hans Joerg Kampfenkel
Das Leben, das ich selbst gewählt
Eh‘ ich in dieses Erdenleben kam,
ward mir gezeigt, wie ich es leben würde.
Da war die Kümmernis, da war der Gram,
da war das Elend und die Leidensbürde.
Da war das Laster, das mich packen sollte,
da war der Irrtum, der gefangen nahm.
Da war der schnelle Zorn, in dem ich grollte,
da waren Haß und Hochmut, Stolz und Scham.
Doch war da auch die Freude jener Tage,
die voller Licht und schöner Träume sind,
wo Klage nicht mehr ist und nicht mehr Plage,
und überall der Quell der Gaben rinnt;
wo Liebe dem, der noch im Erdenkleid gebunden,
die Seligkeit des Losgelösten schenkt,
wo sich der Mensch, der Menschenpein entwunden,
als Auserwählter hoher Geister denkt.
Mir ward gezeigt das Schlechte und das Gute,
mir ward gezeigt die Fülle meiner Mängel,
mir ward gezeigt die Wunde, draus ich blute,
mir ward gezeigt die Helfertat der Engel.
Und als ich so mein künftig‘ Leben schaute,
da hört‘ ein Wesen ich die Frage tun:
Ob dies zu leben ich mich traute,
denn der Entscheidung Stunde schlüge nun.
Und ich ermaß noch einmal alles Schlimme –
„Dies ist das Leben, das ich leben will!‟,
gab ich zur Antwort mit entschloss‘ner Stimme
und nahm auf mich mein neues Schicksal still.
So ward geboren ich in diese Welt,
so war‘s, als ich ins neue Leben trat.
Ich klage nicht, wenn ‘s oft mir nicht gefällt,
denn ungeboren hab‘ ich es bejaht.
(Hermann Hesse)
Foto: Hans Joerg Kampfenkel
Entdecken Sie – vielleicht nach Tagen der Unruhe, der Hektik oder auch der Trauer – Ihre Lebensfreude oder entdecken Sie sie wieder.
Ich wünsche Ihnen ein lebensfrohes und buntes Osterfest.
Ihr/Euer
Gerd Taron
Foto: Hans Joerg Kampfenkel