Immer nur reden – Literarischer Wochenendgruß vom 15.06.18

Immer nur reden – Literarischer Wochenendgruß vom 15.06.18

Liebe interessierte Leser des literarischen Wochenendgrußes,

in den vergangenen Tagen hatte ich die Aufgabe bei einer Sitzung das Protokoll zu führen. Es wurde viel und lange geredet. Dies alles aufzunehmen und später zu dokumentieren ist nicht immer einfach. Es gibt andererseits immer wieder Menschen, die gerne und viel reden, vor allem über sich selbst – sei es aus Eitelkeit, Eigennutz oder Egoismus.

Das Thema „Reden“ habe ich erneut aufgenommen und dabei zwei Texte vom 09.03.18 erneut verwendet, weil sie so passend erscheinen.

Foto: Brina Stein

Meide jene, die viel reden, bevor sie handeln, jene, die niemals einen Schritt getan haben, ohne vorher sicher zu sein, dafür gelobt zu werden.
Halte dich vielmehr an jene, die dir, wenn du dich irrtest, niemals gesagt haben: ‘Ich hätte das anders gemacht.’ Denn wenn sie etwas nicht getan haben, können sie darüber auch kein Urteil fällen.
Paulo Coelho

Foto: Gisela Michaelis

Die weise Bank ☼
Ein Flüstern im Vorübergehen
drang in mein Ohr, sah sie da stehen
Ganz leise hörte ich sie reden:
Komm her, ich spreche nicht mit jedem!
Ich öffnete mich ihrem Plauschen
fühlte die Zeit vorüber rauschen
schon viele Menschen, auf ihr weilten
oder an ihr vorüber eilten
Sie hörte all ihre Geschichten
und konnte mir so viel berichten
von ihren Sorgen und den Nöten
und manches ließ sie auch erröten
Sie sah die Menschen, wie sie waren
und konnte vieles schon erfahren
über das Leben hier auf Erden
sie könnte glatt Psychiater werden!
Könnte sie sprechen, würd´ sie sagen:
Du kannst das Leid der Welt nicht tragen
Höre den Menschen einfach zu
sei mit ihnen in aller Ruh´
Gib keine Antwort ohne Fragen
lass sie sich selbst die Antwort sagen
denn sie alleine können wissen
wie sie ihr Leben leben müssen …
Cäcilia Wentker

Foto: Olaf Jahnke

Langeweile
Die dies nu gar nicht nötig haben
Die brauchen’s wohl am meisten
Reden mit Worten die sie nicht geschliffen haben
Von Philosophen die sie nicht begriffen haben
Reden von Bürden die sie nicht getragen haben
Und von den Wunden die sie nicht geschlagen haben
Reden vom Unrecht das sie nicht erlitten haben
Und von den Siegen die sie nicht erstritten haben
Revolutionen die sie nicht gezündet haben
Von Evangelien die sie nicht ergründet haben
Und schlafen ein mit einer Dose Langeweile
Und haben’s leicht und haben’s schwer
Und sind so voll und sind so leer
Die die noch nichts gesehen haben
Die sind die Meistgereisten
Reden von Liebe die sie nie genossen haben
Und von den Tränen die sie nie vergossen haben
Reden von Träumen die sie nie besessen haben
Verbot’nen Früchten die sie nie gegessen haben
Reden von Schlägen die sie nie empfangen haben
Und von den Sünden die sie nie begangen haben
Von den Passionen die sie nie empfunden haben
Von Horizonten die sie nie gefunden haben
Und schlafen ein mit einer Dose Langeweile
Und sind noch warm und sind schon kalt
Und sind noch jung und sind schon alt
Stephan Sulke

Foto: Gerd Taron

Weißt du, dass die Bäume reden?
Ja, sie reden.
Sie sprechen miteinander
und sie sprechen zu dir, wenn du zuhörst.
Aber die weißen Menschen hören nicht zu.
Sie haben es nie der Mühe wert gefunden,
uns Indianer anzuhören, und ich fürchte,
sie werden auch auf die anderen Stimmen
in der Natur nicht hören.
Ich selbst habe viel von den Bäumen erfahren:
manchmal etwas über das Wetter,
manchmal über Tiere,
manchmal über den Großen Geist…

( Tatanga Mani )

Foto: Gerd Taron

Wenn du mit einem Menschen vernünftig reden könntest,
aber es nicht tust, so hast du diesen Menschen verloren.
Wenn du mit einem Menschen nicht vernünftig reden kannst,
aber es trotzdem tust, so sind deine Worte verloren.
Der Verständige gibt aber weder einen Menschen verloren,
noch verschwendet er seine Worte.

Konfuzius

Foto: Gerd Taron

Reden können Viele.
Zeigen noch viel Mehr.
Wirklich Sehen
und Dasein
aber nur Wenige.
Text: © Monika Heckh

Foto: Brina Stein

Miteinander reden und lachen,
sich gegenseitig Gefälligkeiten erweisen,
zusammen schöne Bücher lesen,
sich necken dabei, aber auch sich Achtung erweisen,
mitunter auch streiten – ohne Hass,
so wie man es wohl einmal mit sich selbst tut,
manchmal in den Meinungen auseinander gehen
und damit die Eintracht würzen,
einander belehren und voneinander lernen,
die Abwesenden schmerzlich vermissen,
die Ankommenden freudig begrüßen –
lauter Zeichen der Liebe und Gegenliebe,
die aus dem Herzen kommen,
die sich äußern in Miene, Wort
und tausend freundlichen Gesten
und wie Zündstoff den Geist in Gemeinsamkeit entfalten,
so dass aus den Vielen eine Einheit wird.

(Hl. Augustinus)

Ich wünsche Ihnen ein Wochenende mit viel Zeit zum Reden und Schweigen.

Ihr/Euer

Gerd Taron

PS: Ein Hinweis in eigener Sache:

Am Samstag, 16.06.18 findet von 10 bis 16 Uhr in Kelkheim-Fischbach, Langstraße 30, auf Tarons Bücherterrasse ein Büchermarkt mit einer Erlebnis-Lesung von Connie Albers (ab 14 Uhr) statt. Dazu begleitet Andreina Bonanni mit ihrem Saxophon diese Veranstaltung musikalisch.

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