Keine Schuld – Gedanken von Pfarrer Andreas Schmalz-Hannappel, Kelkheim-Fischbach

„Nein, wir tragen keine Schuld“, höre ich immer wieder, wenn die Rede von den Verbrechen der Nazis ist. Persönlich tragen heute nur noch ganz wenige Schuld. Doch kann ich so leicht sagen, dass ich nichts damit zu tun habe? Ich persönlich trage keine Schuld, und doch beschämt es mich, dass von Deutschen und auch Christen so viel Leid und Grausamkeit über die Welt gebracht wurde. Am Dienstag jährte sich wieder die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee. Immer wieder erschüttern mich die Bilder des Grauens, die ich kaum ertragen kann. Wie war das damals möglich? Wie war es möglich, dass niemand wirklich einschritt? Wie konnte es geschehen, dass die evangelische Kirche ihren jüdischen Geschwistern nicht half? Ein Kirchenmann, der im 3. Reich Widerstand gegen Hitler leistete und verhaftet wurde, Martin Niemöller, beantwortete nach dem Krieg diese Fragen selbstkritisch: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Jesus sagte, dass wir in dem Leidenden anderen ihn sehen können (Mt 25): „Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.“

Möge Dir Gott immer wieder die Kraft und den Mut geben, aufzustehen und einzuschreiten.

Gottes Segen für Dich.
Pfarrer Andreas Schmalz-Hannappel, Kelkheim-Fischbach

veröffentlicht am 29.01.2015 in einem Rundbrief anlässlich der Befreiung des KZ Auschwitz